Pflege und Beruf vereinbaren
Wird ein Familienmitglied pflegebedürftig, entscheiden sich die meisten Menschen dafür, die Betreuung selbst zu übernehmen. Wie das Kunststück gelingt, dabei weiter im Beruf und gesund zu bleiben.
Text: Daniela Eckstein
Die ärztliche Diagnose krempelte das Leben von einem Tag auf den anderen um: Anfang 2013 erfuhren das Ehepaar Schmitz und ihre vier Kinder, dass der Ehemann und Familienvater an der schweren Nervenkrankheit ALS erkrankt war und nur noch wenige Jahre zu leben hatte. Für Edeltraut Hütte-Schmitz war damals sofort klar, dass sie die Betreuung ihres Mannes selbst übernehmen würde.
Ein Entschluss, den sie nie bereute. So konnte er die vier Jahre bis zu seinem Tod zu Hause weiter im Kreise seiner Familie leben. Was die Diplom-Kauffrau (FH) dabei aber erfahren musste: „Unsere Gesellschaft hilft in solchen Fällen viel zu wenig.“ Heute engagiert sie sich als geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Vereins „Wir pflegen e.V.“ für eine deutlich bessere Unterstützung pflegender Angehöriger.
Etwa fünf Millionen Menschen in Deutschland sind offiziell als pflegebedürftig anerkannt. Von ihnen leben rund 85 Prozent in der eigenen Wohnung oder bei Verwandten. Schätzungsweise fünf Millionen pflegende Angehörige sind in ihre Betreuung eingebunden. Sie brauchen gute Nerven und viel Zeit für die Betreuung und, um Unterstützung zu finden. Denn die Betroffenen und Angehörigen wissen meist nicht, wie das Pflegeversicherungssystem funktioniert.
Auszeit vom Job nehmen
Erste Hilfe bietet das Arbeitsrecht, denn Angestellte dürfen dann sofort einmalig für zehn Arbeitstage vom Job fernbleiben. Den Verdienstausfall zum Beispiel des pflegenden Sohnes übernimmt bis zu 90 Prozent die Pflegekasse der hilfsbedürftigen Mutter. Gab es dieses Recht bisher für jede zu pflegende Person nur ein einziges Mal, soll es diese Möglichkeit laut Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG), das derzeit im Bundestag beraten wird, ab 2024 einmal jährlich geben.
Zwar wird dieses Pflegeunterstützungsgeld eigentlich nur gezahlt, wenn der Medizinische Dienst bereits eine Pflegebedürftigkeit festgestellt und der Person einen der fünf Pflegegrade zugeteilt hat. In manchen Fällen zeigen sich die Kassen aber verhandlungsbereit.
Edeltraut Hütte-Schmitz staunte allerdings nicht schlecht, als sie nur 38 statt 90 Prozent ihrer Nettoeinkünfte als Pflegeunterstützungsgeld erhielt. Der Grund: Von der Lohnersatzleistung sind Beiträge für die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zu entrichten. Und weil der Betrag gedeckelt ist und sich an maximal 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze orientiert, schrumpfte der Zuschuss in ihrem Fall mächtig zusammen. Eine weitere Einschränkung: Ein Recht auf Freistellung vom Job haben Angehörige nur, wenn ihr Betrieb mehr als 15 Mitarbeiter hat.
Unterstützung mit Einschränkungen
Ausschlussklauseln gibt es auch bei anderen Hilfsangeboten. So können pflegende Angehörige theoretisch zwar auch für längere Zeit aus dem Job aussteigen oder ihre Arbeitszeit reduzieren. Die sogenannte Pflegezeit ermöglicht ein Pausieren von bis zu sechs Monaten, die Familienpflegezeit eine Teilzeitarbeit von bis zu 24 Monaten. Jedoch gibt es ein Recht darauf nur in Firmen mit mehr als 25 Beschäftigten – und wenn der Angehörige bisher mindestens 15 Stunden pro Woche gearbeitet hat.
Eingeschränkt sind auch steuerliche Erleichterungen: Zwar darf man die Pflege von Angehörigen als außergewöhnliche Belastung geltend machen – pauschal zum Beispiel 600 Euro pro Jahr. Erhält aber beispielweise die Tochter vom betreuten Vater regelmäßig Geld für die Pflege, gilt dieses Recht nicht. Zwar wird die Pflegezeit auf die Rente des pflegenden Angehörigen angerechnet, jedoch nur, wenn der nicht mehr als 30 Stunden pro Woche anderweitig berufstätig ist. Die Pflegezeit muss zudem mindestens zehn Stunden pro Woche betragen.
Zu wenig Plätze
Eine große Entlastung für pflegende Angehörige stellen die Kurzzeit- und die Tagespflege dar – nur leider gibt es viel zu wenig Plätze. Voraussetzung ist mindestens Pflegegrad zwei. In der Kurzzeitpflege wird die hilfsbedürftige Person vorübergehend in einem Pflegeheim betreut – während der Angehörige zum Beispiel Urlaub macht. Die Pflegekasse steuert pro Kalenderjahr 1774 Euro hinzu. Dies lässt sich auf 3386 Euro aufstocken, denn weitere 1612 Euro stehen für die Verhinderungspflege zur Verfügung – ein Betrag, den man ansonsten auch einem Verwandten oder Bekannten geben könnte, um den Pflegenden zu vertreten.
Tagespflege wird werktäglich angeboten und kann an einem oder mehreren Tagen pro Woche in Anspruch genommen werden. Die Betreuung findet ganztags in Gruppen statt – während in dieser Zeit der pflegende Angehörige seine Berufstätigkeit ausüben kann. Je nach Pflegegrad gibt es monatlich dafür ab 689 Euro.
Flexible Lösungen
Für Edeltraut Hütte-Schmitz war die Großzügigkeit ihres Arbeitgebers – die Stadtwerke Iserlohn – ihre Rettung: Er gewährte ihr umgehend die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Damit konnte sie ihren Job behalten und trotzdem die teilweise sehr aufwändige Pflege ihres Mannes leisten.
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Titelfoto: iStock
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